»Wir haben einfach keine Angst«

Interview mit Wolfgang Gantner, Mitglied der österreichischen Künstlergruppe Gelatin. Im Rahmen der Vorbereitungen für die Ausstellung in der Kunsthalle Krems: GELATIN LUCAS BOSCH, wurde Schülerinnen der 7C 2010/11 des BORG KREMS und Prof. Florian Nährer vorweg ein Blick hinter die Kulissen gewährt (Juli 2011).

Bettina Strohofer BORG KREMS: Leider muss ich dir eine wahrscheinlich schon sehr strapazierte Fragen stellen: Wie seid ihr euch begegnet und wie kam es zu dem Namen Gelatin?

Wolfgang Gantner GELATIN: Wir haben uns in den 90er Jahren auf der Akademie in Wien kennen gelernt, obwohl Florian und ich ja beide aus Krems stammen. Zum Namen sind wir dann so gekommen, dass wir ebenfalls so eine weiche nicht definierbare Masse sind, flexibel und nicht leicht greifbar. Wir haben dann vor ein paar Jahren unseren Namen in Gelitin umbenannt, aber jetzt nennen wir uns wieder Gelatin.

BS: Ja aber ist das nicht reichlich verwirrend? Warum macht ihr sowas?

WG: Das hat sich aus einem Schreibfehler ergeben. Uns gefallen solche Zufälligkeiten eben. Wir greifen das auf und machen was draus. Genauso passiert das auch bei unseren anderen Arbeiten.

BS: Ja genau. Das interessiert mich jetzt eh. Wie kommt man auf all diese sehr sonderbaren Einfälle: Ich denke da zum Beispiel an den Balkon im World Trade Center New York oder das 4 Meter tiefe Loch bei der Expo in Hannover!

WG: Unsere Kunst passiert aus der Notwendigkeit heraus etwas zu schaffen, was uns fehlt. Das heißt, wir haben ein Bedürfnis und dann macht man eben was dazu. Sowie beim WTC. Wir hatten in dem Gebäude einen Atelierplatz am Fenster, doch man hatte obwohl man so hoch oben war keine wirklich gute Aussicht. So planten wir im Geheimen ebendort einen schmalen Balkon rauszubauen.

BS: Das war doch sicher sehr gefährlich oder

WG: Eigentlich nicht weil wir alles sehr gut vorbereitet und gesichert haben. Angst hatten wir in dem Sinn nicht, das jemanden etwas passiert.

BS: Ist schon mal jemanden bei einem eurer Kunstperformances oder Installationen etwas passiert?

WG: Wir legen unsere Einbauten ja nicht darauf an alle Eventualitäten mit Geländern und Schutzeinrichtungen abzusichern. Die Besucher sollen und tun es auch selbstverantwortlich durch unsere Ausstellungen zu gehen. Zum Beispiel bei der Expo in Hannover: Insgesamt sind 8000 Menschen nach unten getaucht und nur eine Einziger hat sich dabei leicht die Schulter verletzt. Das spricht doch sehr für unser Konzept. Dem Besucher ist viel mehr zuzutrauen als das die meisten Museumsleute tun.

BS: Wie schaut bei euch so der Arbeitsalltag aus?

WG: So komisch das klingt, aber wir kommen so um 8:00 ins Atelier und arbeiten dort von Montag bis Freitag bis abends gemeinsam an unseren Projekten. Da alle sehr gerne die Kunstwerke (Plastilinbilder/Assemblagen aus alten Möbeln/Collagen …) selbst machen ergibt sich das Problem der Arbeitsaufteilung auch gar nicht. Da gibt es keinen der faul herumliegt und die anderen sagen: »Steh auf hilf mit!« Das hat es bei uns noch nie gegeben, weil uns die Arbeit riesigen Spaß macht.

BS: Wie funktionert das bei der Vorbereitungen hier in der Kunsthalle? Hier arbeitet ihr gemeinsam mit 20 Assistentinnen und der Künstlerin Sarah Lucas zusammen?

WG: Wir haben hier mehrere Werkstätten eingerichtet: Im Hof werden Abgüsse unserer Arme aus Beton gefertigt, im Obergeschoss werden Objekte abgegossen, ein Maibaum wurde zersägt und wieder zusammengesetzt. Dazwischen stehen ältere Arbeiten von uns, die wir im Atelier gebaut und mit hierher genommen haben. Wir haben nur ein ungefähres Konzept, was hier passieren soll. Sehr vieles entsteht ortsbezogen in Zusammenarbeit mit den Assistenten.

BS Wir danken für das Gespräch.

Dieses Interview wurde in Das Helmut und dem Andy Kunstmagazin veröffentlicht.